5
Apr
2010

es regnet

Ich hab Sonnenbrand im Gesicht (wird schon braun werden) und blaue Druckflecken vom Gurtzeug an den Oberarmen (sind die normal?), vorletzte Nacht nur drei Stunden geschlafen und war gestern mit einer riesigen Tasse Kaffee zumindest in der Lage mein Auto bis Steyr zu fahren... Meine Konzentrationsfähigkeit war gestern früh allerdings immer noch Party machen in Haag, dementsprechend nervös und unruhig ging ich an meinem zweiten Flugtag in die erste Runde. Gegen Mittag dann, mit der Sonne und den ersten Flügen vom oberen Ende des Hangs kam auch langsam wieder Ruhe und Ordnung in meinen noch summenden Kopf.

Eine sportliche Woche liegt hinter mir, auf die ich eigentlich auch ganz stolz bin. Zwar hab ich nicht alles geschafft was ich eigentlich vorhatte – ich hab einige Freunde dann doch nicht besucht, weil es sich zeitlich nicht vereinbaren ließ, hab kein einziges Mal zu Hause für die Familie gekocht, war nicht an der Ybbs spazieren (was ich um diese Jahreszeit immer mach, wenn ich mal meine Ruhe brauch) aber ich war jeden Tag schwimmen und auch einmal klettern und einmal wandern und an den letzten zwei Tagen, also das Osterwochenende, hab ich meine ersten Flüge hinter mich gebracht.Trotz der vielen Bewegung kann ich gerade mal eineinhalb Kilogramm verlorenen Winterspeck verbuchen... Ich rede mir dafür ein, dass ich eben Muskelmasse aufbaue und die schwerer ist als die überflüssigen Fettpolster, die ich dabei (hoffentlich) verbrannt habe. Dem alljährlich im Frühjahr wiederkehrendem Drang die düstere faule Winterlaune abzuschütteln wirkt auf hinterhältige Art mein innerer Schweinehund entgegen, indem er mich mit meinen eigenen Einstellungen und Überzeugungen überrumpelt. So kann ich zum Beispiel nicht sagen, dass ich mich mit meinem Aussehen nicht wohl fühlen würde, im Gegenteil, für meine Verhältnisse find ich alles sehr in Ordnung. Und genau das sagt mir mein Schweinehund wenn er am Abend das böse Schokoladeheißhunger-Monster auf mich hetzt – ein verführerisch leichtes „Gönn's dir, macht ja nix, dir geht’s mit den paar Kalorien mehr in Wirklichkeit nicht schlechter...“ Und mein Verstand hilft zu ihm und schimpft mich eitel und oberflächlich.

Und nach dieser Urlaubswoche am Land nun der Kulturschock in der Großstadt. Man steigt aus dem Zug aus und trifft am Bahnhof nur Reisende, genau so wie ich auch einer bin. Am Bahnhof wird man sich nur der Menschenmassen bewusst, die Getriebene sind, die es weg zieht oder in meinem Fall eben hier her. Steigt man dagegen dann um in die U-Bahn trifft man dort nur missmutige Gesichter, alle anonym aber mit eigener Geschichte. Und wie sich die Häuser mit ihren Fassaden hoch aneinander drängen und so die Stadt in ihrer physischen Form bilden, drängen sich zwischen ihnen und in ihnen und in der U-Bahn unter ihnen die Menschen – jeder mit seiner eigenen Geschichte, seinen eigenen Gefühlen und Zielen – die psychische Gestalt der Stadt.
Jeder Wagon ist voll gestopft mit Leuten die sich im Labyrinth bewegen und in dieser kurzsichtigen Welt zwischen den Betonwänden ihre Chancen und Möglichkeiten suchen, und wenn sie diese dort nicht finden, verbunkern sie sich in ihren Wohnungen, rühren sich maximal innerhalb des zwei -Quadratmeter-Radius rund um ihren Computer herum und suchen im Internet. Im größten Labyrinth das der Mensch sich selbst geschaffen hat. Ein globaler Irrgarten der uns alle verbinden soll.
Ich persönlich fühle mich am ehesten mit jemandem verbunden wenn ich ihm gegenüber sitze (oder auch neben ihm, das ist dann egal) und ihm in die Augen sehen kann. Ich telefoniere nicht gern und das Internet nutze ich eher für selbst-darstellerische Zwecke und als Rechercheplattform als für echte Kommunikation.
Auf jeden Fall bin ich umsonst so früh in die Stadt gefahren. Als ich heute um Viertel nach Neun in die Arbeit gehetzt bin – weil ich verschlafen habe – war meine Chefin zunächst nur verwirrt, warum ich überhaupt gekommen war. Nun hat sie mich dann doch aus dem Dienstplan gestrichen weil in den Ferien nichts los und nichts zu tun ist. Mein nächster Dienst ist also am Donnerstag. Dann hat sie mir einen Kaffee gemacht und mir von ihrem neuesten Liebesdesaster erzählt. Wie immer ging es um die Unfähigkeit der Männer sich zu binden, und dass sie offensichtlich ein Anziehungspunkt für doch-lieber-Single-Männer sei. Auf der einen Seite finde ich es schade, weil ich sehe, dass es ihr mit einem weiteren leider-doch-nicht-Erlebnis nicht gut geht, aber auf der anderen Seite freue ich mich für sie, dass sie jetzt beschlossen hat mit der Suche nach dem Traumprinzen aufzuhören und mehr an sich selbst und ihren eigenen Wünschen zu arbeiten. Dann hat sie mir ein riesiges Schokolade-Osterei geschenkt, mit den Worten „ich hab fünf davon bekommen und gestern Nacht aus Frust gleich eines aufgegessen, nimm dir eines mit, es soll mich gar nicht in Versuchung führen.“ Und so hat mich das Schokolade-Heißhunger-Monster gleich am frühen Vormittag gepackt und während ich hier schreibe nasche ich kleine Stück vor mich hin – während mein innerer Schweinehund befriedigt dabei zusieht, mein Verstand es als „gute Tat“ ansieht und mein Gewissen das Ganze mit der Ausrede „ich geh zu Mittag dann eh schwimmen“ absegnet.
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uuuuh ich freu mich!! das is alles so spannend!
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Hallo blitzkuh, ich habe schon länger nichts mehr geschrieben,...
Flugschreiber - 9. Apr, 01:34

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Zuletzt aktualisiert: 23. Mär, 12:18

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