im zug
Was mich so grundlegend von meiner Schwester unterscheidet, ist, dass sie es sich nicht traut sich zu verlieben aus Angst verletzt zu werden. Einmal ein großes Loch ins Herz gerissen heilt das schwer und sie versucht nun einfach nur kein weiteres mehr zu riskieren. Ich dagegen würde mich wahrscheinlich in jeden Menschen verlieben, wenn auch nur für wenige Momente und auch nicht immer mit Erfolg. Natürlich hab ich auch die Wunden und Risse im Herz, sicherlich erging es mir auch schlecht, ich hab genauso tagelang geweint und über Wochen und Monate an Schlaflosigkeit und Appetitmangel gelitten, mein Hirn ratterte den ganzen Tag im Kreis herum und ich war verletzt. Ich bin immer noch verletzt. Ich wurde auf jede Art beleidigt auf die man mich beleidigen kann, ich wurde erniedrigt, ausgelacht, ignoriert und hintergangen, ausgenutzt und belogen. Ich bin die betrogene Freundin und die verzweifelt liebende Ex, die heimliche Geliebte und das armselige „nein-doch-nicht“. Redet man von Herzen die ein großes Loch haben bin ich der Emmentaler in Valentinstagsverpackung, der gammelig im Kühlschrank liegt und hin und wieder von meiner großen Liebe aufgetaut wird, nur um dann wieder zurück gelegt zu werden. Ich bin ein verschmähtes Stück Käse, wenn man’s so will. Aber ich hab nicht verlernt mich zu verlieben. Ich hab im Laufe der Zeit nur dazugelernt – unter anderem, dass Geduld eine wertvolle Tugend ist, dass Liebe nicht immer nur ein romantisches Gesicht hat, aber sie es selbst in der hässlichsten Gestalt wert ist, darum zu kämpfen. Dass ich nichts verändern, aber beeinflussen kann. Dass ich Verantwortung trage für jeden den ich „sich in mich verlieben“ lasse. Dass ich nicht sagen kann „mit deinen Gefühlen musst du selbst zurecht kommen.“ Dass ich kein kalter Mensch sein kann, dass ich den Respekt gegenüber anderer Gefühle nicht unterdrücken kann nur um mich selbst zu schützen. Dass ich keine Herzen mehr brechen möchte, auch wenn das heißt, dass ich selbst auf Zärtlichkeiten, Aufmerksamkeit und Nähe verzichten muss. Dass ich keine falschen Hoffnungen mehr entstehen lasse, dass ich die Karten auf den Tisch legen muss bevor ich etwas tu das ich später bereuen werde – vor allem wenn ich weiß, dass ich es später bereuen werde. Dass ich keine schlimmen Fehler mehr mutwillig begehe obwohl ich weiß dass sie falsch sind.
Das sind meine Vorsätze fürs nächste Jahr. Für die nächste Liebe – auf die ich von mir aus ewig warte. Keine Beziehungen mehr in die ich „so reinrutsche“ und dann nicht weiß wie ich wieder raus komm. Keine ONSs mehr mit Männern die dann hoffen, dass ich die Retterin in der Not bin, die „große eine wahnsinnige Liebe“ mit der alles besser und schöner wird. Dass ich die Liebe zulasse zu gegebener Zeit, aber verantwortungsbewusst und nicht mehr so draufgängerisch, ohne Rücksicht auf Verluste. Wäre meine Schwester ein bisschen mehr wie ich und ich ein bisschen mehr wie meine Schwester, könnte jeder Mann mit uns glücklich werden. So wie’s momentan läuft bin ich zu lieb und sie zu kalt. Ich bin zu offen, sie zu verschlossen (zumindest was die Liebe angeht, in allen anderen Lebensbereichen ist es wohl eher umgekehrt).
Während ich das schreibe sitze ich im Zug heim nach Amstetten, im Abteil sitzen zwei Männer, die sich lallend unterhalten, aus einer Tetrapackung Wein trinken und mich hin und wieder für ein „und wo fährst du hin?“ und ein „sag amal, was schreibst du da eigentlich? Was Privates oder was Dienstliches? Und des geht so einfach von der Hand?“ unterbrechen.
Alkoholiker. Nicht unbedingt unfreundlich aber ungepflegt. Und die Fahne roch man schon als sie reinkamen. Inzwischen ist das Tetrapack leer und im heraus klappbaren Mistkübel verschwunden, aber der Geruch nach traurigen alten Männern, abhängig vom Alkohol - der auf der einen Seite das Laster auf der anderen vermeintlich die Lösung darstellt - hängt noch in der Luft. Ausatmen. Die betrunkene Armseligkeit von alten Hoffnungen und alter Liebe und alten Träumen und falschen Freunden und schlechten Angewohnheiten sammelt sich mit jedem Liter ausgeatmeter Luft im Abteil.
Durch meine Kopfhörer grenze ich mich ab, und durch den Bildschirm des Laptops, hinter dem ich mich halb verborgen sicher abgeschottet fühle.
„Du kannst nicht jeden retten, Hasselhoff“ hat das Meerschweinchen in Dr. Doolittle gesagt. Und ich kann keinen gammeligen, traurigen Hasselhoff retten.
Und einmal mehr steht am Schluss die Erkenntnis, dass ein jeder ein Päckchen zu tragen hat und ich niemandem das seine abnehmen soll oder kann. Und darum stecke ich die Kopfhörer nach jeder kurz beantworteten Frage wieder in die Ohren und schreibe weiter. Und hoffe, dass ich dann bald in Amstetten ankomme… bald, nur noch wenige Minuten. Der Betrunkene erzählt mir inzwischen, dass er „ausm Hefen“ kommt, drei Wochen in Wien war, aus Kärnten stammt und jetzt dahin wieder zurück fährt. Der glatzköpfige Russe der sich am Fenster sitzend schlafend stellt und noch weiter mit dem Alkoholgeruch und dem schwatzenden Säufer durchhalten muss tut mir jetzt schon leid. Gut nur, dass er kaum deutsch spricht und daher kein lohnendes Ziel für die Geschichten des Alkoholikers abgibt. Wir fahren durch den Bahnhof von Blindenmarkt. „Doka“. Mein Zeichen meine Jacke anzuziehen und den Laptop wieder in seiner Tasche zu verstauen. Und dann lasse ich die beiden Männer allein. Den Russen und den Trinker – dessen Kumpane wahrscheinlich vor einer Stunde auf der Zugtoilette eingeschlafen ist.
Das sind meine Vorsätze fürs nächste Jahr. Für die nächste Liebe – auf die ich von mir aus ewig warte. Keine Beziehungen mehr in die ich „so reinrutsche“ und dann nicht weiß wie ich wieder raus komm. Keine ONSs mehr mit Männern die dann hoffen, dass ich die Retterin in der Not bin, die „große eine wahnsinnige Liebe“ mit der alles besser und schöner wird. Dass ich die Liebe zulasse zu gegebener Zeit, aber verantwortungsbewusst und nicht mehr so draufgängerisch, ohne Rücksicht auf Verluste. Wäre meine Schwester ein bisschen mehr wie ich und ich ein bisschen mehr wie meine Schwester, könnte jeder Mann mit uns glücklich werden. So wie’s momentan läuft bin ich zu lieb und sie zu kalt. Ich bin zu offen, sie zu verschlossen (zumindest was die Liebe angeht, in allen anderen Lebensbereichen ist es wohl eher umgekehrt).
Während ich das schreibe sitze ich im Zug heim nach Amstetten, im Abteil sitzen zwei Männer, die sich lallend unterhalten, aus einer Tetrapackung Wein trinken und mich hin und wieder für ein „und wo fährst du hin?“ und ein „sag amal, was schreibst du da eigentlich? Was Privates oder was Dienstliches? Und des geht so einfach von der Hand?“ unterbrechen.
Alkoholiker. Nicht unbedingt unfreundlich aber ungepflegt. Und die Fahne roch man schon als sie reinkamen. Inzwischen ist das Tetrapack leer und im heraus klappbaren Mistkübel verschwunden, aber der Geruch nach traurigen alten Männern, abhängig vom Alkohol - der auf der einen Seite das Laster auf der anderen vermeintlich die Lösung darstellt - hängt noch in der Luft. Ausatmen. Die betrunkene Armseligkeit von alten Hoffnungen und alter Liebe und alten Träumen und falschen Freunden und schlechten Angewohnheiten sammelt sich mit jedem Liter ausgeatmeter Luft im Abteil.
Durch meine Kopfhörer grenze ich mich ab, und durch den Bildschirm des Laptops, hinter dem ich mich halb verborgen sicher abgeschottet fühle.
„Du kannst nicht jeden retten, Hasselhoff“ hat das Meerschweinchen in Dr. Doolittle gesagt. Und ich kann keinen gammeligen, traurigen Hasselhoff retten.
Und einmal mehr steht am Schluss die Erkenntnis, dass ein jeder ein Päckchen zu tragen hat und ich niemandem das seine abnehmen soll oder kann. Und darum stecke ich die Kopfhörer nach jeder kurz beantworteten Frage wieder in die Ohren und schreibe weiter. Und hoffe, dass ich dann bald in Amstetten ankomme… bald, nur noch wenige Minuten. Der Betrunkene erzählt mir inzwischen, dass er „ausm Hefen“ kommt, drei Wochen in Wien war, aus Kärnten stammt und jetzt dahin wieder zurück fährt. Der glatzköpfige Russe der sich am Fenster sitzend schlafend stellt und noch weiter mit dem Alkoholgeruch und dem schwatzenden Säufer durchhalten muss tut mir jetzt schon leid. Gut nur, dass er kaum deutsch spricht und daher kein lohnendes Ziel für die Geschichten des Alkoholikers abgibt. Wir fahren durch den Bahnhof von Blindenmarkt. „Doka“. Mein Zeichen meine Jacke anzuziehen und den Laptop wieder in seiner Tasche zu verstauen. Und dann lasse ich die beiden Männer allein. Den Russen und den Trinker – dessen Kumpane wahrscheinlich vor einer Stunde auf der Zugtoilette eingeschlafen ist.
Flugschreiber - 4. Jan, 03:31